Technologie: Mit Brombeersaft und Sonnenkraft
Einleitung
Täglich sehen wir in der Natur die tollsten Solarzellen, z.B. grüner Spinat, Algen, Petersilien, die grünen Blätter der Bäume. Sie alle setzen mit Hilfe der Photosynthese, Solarenergie um in lebenswichtige Nährstoffe. Warum also nicht Spinat mit etwas Sonnenlicht benützen, um elektrischen Strom zu erzeugen? Ist es wirklich möglich ein Solar Kraftwerk mit diesen Naturstoffen zu bauen? Die Antwort auf diese Frage gibt uns die ‘nanokristalline Farbstoff Solarzelle’ welche auch ‚organische‘ oder, nach ihrem Erfinder Prof. Grätzel, die ‚Grätzelzelle‘ genannt wird. Diese neuartige Solarzelle überspringt die Photosynthese und wandelt die Solarenergie ganz unmittelbar in Strom um; diesen Vorgang nennt man Photovoltaik.
Das Innenleben dieser Solarzelle besteht, wie das Blattgrün der Pflanzen, aus Chlorophyll– Molekülen. Im Falle einer direkten Umwandlung von Sonnenlicht in Photostrom ist es jedoch besser andere Farbstoffe zu verwenden. Prof. Grätzel hat hierbei einen synthetischen Farbstoff entwickelt, der einen grossen Teil des Sonnenlichtes in Strom umwandelt. Neben den synthetischen Farbstoffen funktionieren natürlich auch das Chlorophyll und viele Naturfarbstoffe. Die besten bis heute bekannten Naturfarbstoffe sind ‘Anthocyane’. Anthocyane findet man als roten Farbstoff in z.B. Brombeeren, Himbeeren, Kirschen oder Hibiskusblüten. Zur Zeit werden diese neuartigen Solarzellen mit synthetischem Farbstoff im Laboratorium hergestellt und erforscht. Wie diese Solarzelle funktioniert wird im Abschnitt „Funktionsprinzip“ beschrieben.
Die Zielsetzung von Man Solar ist es, diese geniale Farbstoffsolarzelle in ihrer natürlichsten Form erscheinen zu lassen. Man Solar hat die Bestandteile der Grätzelzelle so angepasst, dass mit Hilfe von Hibiskusblüten, Brombeersaft, Himbersaft, dem Zahnweiss ‚Titandioxid‘, einem Bleistift, etwas Jod und elektrisch leitendem Glas eine Solarzelle gebaut werden kann. Am besten können frische Brombeeren oder Himbeeren verwendet werden. Mit Fruchtsäfte aus dem Supermarkt funktioniert es auch. Aus Haltbarkeitsgründen haben wir für das Experiment getrocknete Hibiskusblüten mitgeliefert.
Photosynthese: Bezeichnung für die fundamentalen Stoffwechselreaktionen chlorophyllhaltiger Organismen (Pflanzen, Algen), bei denen aus Kohlendioxid (CO2) und Wasser (H2O) als Ausgangssubstanzen unter Umwandlung von Lichtenergie (Sonnenlicht) in chemische Energie (Glucose) und molekularer Sauerstoff (O2) gebildet werden.
Photovoltaik ist die direkte Umsetzung von Sonnenlicht in elektrischen Strom. Das altgriechische Wort ‚Photo‘ steht dabei für Licht, während ‚Voltaik‘ vom Namen des italienischen Physikers Alessandro Volta abgeleitet ist. Nach ihm wurde auch die Masseinheit Volt für die elektrische Spannung benannt.
Funktionsprinzip
Einleitend zum Funktionsprinzip der Farbstoffzelle die folgenden Erklärungen.
TCO | ‘Transparent Conducting Oxide’, eine dünne elektrisch leitende Schicht, aufgebaut aus Zinnoxid. Die TCO-Schicht befindet sich an einer Seite der Glasplatten (Photo- Elektroden). Das Licht der Sonne (Photonen) kann das Glas und die TCO Schicht ungehindert durchdringen. |
Photon | Lichtteilchen, dessen Energie von der Wellenlänge des Lichts abhängt. |
Elektron | Negativ geladenes Elementarteilchen. |
Titandioxid | Ein Mineral, das als weisses Pigment in Farbe, in Zahnpasta und z.B als Füllmaterial für Pillen verwendet wird. |
Elektrolyt | Elektrisch leitende Flüssigkeit, wobei die Ionen und nicht die Elektronen für den Ladungstransport durch die Flüssigkeit verantwortlich sind. |
Ion | Von griech. Ion ‚Gehendes‘, ‚Wanderndes‘. Atom mit zuvielen oder zu wenigen Elektronen. |
Graphit | Kristalliener kohlenstoff, der Strom leiten kann. |
Die Grätzel- oder Farbstoffsolarzelle ist vollkommen anders aufgebaut als herkömmliche Solarzellen aus Silizium. Der Erfinder Michael Grätzel orientierte sich bei seiner Entwicklung an der Photosynthese der Pflanzen, wo der Farbstoff Chlorophyll unter Sonneneinstrahlung Energie in Form von Zuckermolekülen speichert.
Die Zelle selbst besteht aus zwei aufeinander liegenden beschichteten Glasplättchen: Das Glassubstrat mit einer leitenden Schicht (TCO), auf die der Halbleiter Titandioxid (TiO2) in einem Ofen bei 450 Grad Celsius “Aufgebacken” wird, ist die negative Elektrode der Solarzelle. Statt mit Chlorophyll fängt die Grätzel-Zelle die Solarenergie mit einer auf der rund zehn Mikrometer dicken TiO2-Schicht liegenden synthetischen Farbstoffschicht ein. Die als positive Elektrode wirkende zweite Glasplatte ist auch mit einer dünnen TCO-Schicht belegt; sie ist aber gleichzeitig noch mit Platin beschichtet.
Trifft nun Licht auf die Solarzelle, lösen sich negativ geladene Teilchen (Elektronen) aus dem Farbstoff und streben im Titandioxid geradewegs auf die Elektrode zu. Ein elektrischer Strom fließt aber erst, wenn der Stromkreis geschlossen ist. Die Elektronen fließen also, nachdem sie ihre Energie an ein elektrisches Gerät abgegeben haben, über die positive Elektrode in die Solarzelle zurück. Eine Elektrolytlösung transportiert die Elektronen dann zu den positiv geladenen Farbstoffatomen, wobei das Platin als Katalysator diesen Prozess beschleunigt.
Zum Bau der Man Solar Solarzelle wird der synthetische Farbstoff ersetzt durch Naturfarbstoffe (Brombeerensaft u.s.w). Platin, das Katalysatormaterial zur Beschleunigung der chemischen Reaktion zwischen Elektronen und Elektrolyt, wird durch das Graphit eines Bleistiftes ersetzt.
Die Farbstoff Solarzelle wurde unter der Leitung von Prof. M. Grätzel an der Eidgenössischen Technischen Hochschule von Lausanne, Schweiz erfunden und entwickelt. Die nach Prof. Grätzel benannte Solarzelle erblickte das Licht der Welt im Jahre 1991 [1]. In vielen Forschungsanstalten wurden Alternativen zum synthetischen Farbstoff erforscht [2] und auch der Lehrmittelwert dieser Solarzelle erkannt. Beim Niederländischen Energie Forschungszentrum ECN [3] werden seit 1995 die technologischen Aspekte der Farbstoff- Solarzelle erarbeitet.
Eine Farbstoff- Solarzelle angefertigt durch das Niederländische Energie Forschungszentrum ECN
Referenz
- 1. B. O’Regan, M. Grätzel, Nature 353, 737-739 (1991).
- 2. A. Kay, M. Grätzel, J. Phys. Chem. 97, 6272 (1993).